Universität des Saarlandes

Fachrichtung 5.6 Informationswissenschaft
Sommersemester 2004







Hausarbeit

Digitales Fernsehen. Entwicklung, Stand und Perspektiven





Veranstaltung:

Ausgewählte Themen der Informationsindustrie

Dozentin:

PD Dr. Ilse Harms

Verfasser:

Stephan Rosenke


Inhaltsverzeichnis

Einleitung 3

Geschichte des digitalen Fernsehens in Deutschland 4

Definitionen und grundlegende Erklärungen 5

Technische Voraussetzungen und ihre Folgen 6

Grundlegende Unterschiede zwischen analoger und digitaler Fernseh­ver­brei­tung 6

Kompression/Reduktion: Kapazitätserweiterung und neue Programme 7

Empfangsgeräte für digitales Fernsehen 10

API oder Middleware: Zusatzdienste und Interaktivität 10

Vorrichtungen für die Zugangskontrolle: Kontrolle der Verbreitungswege 15

Mögliche Übertragungswege 18

Fernsehkabel 19

Satellit 23

Terrestrik 25

Neue Übertragungswege 30

Zusammenfassung und Ausblick 34

Abkürzungsverzeichnis 36

Abbildungsverzeichnis 36

Literaturverzeichnis 37



Einleitung



Digitales Fernsehen weckte bereits bei seiner Entstehung Mitte der neunziger Jahre große Hoffnungen auf damit verbundene neue (interaktive) Anwendungen und neue Märkte, die damit erschlossen werden können. Größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erreichte das digitale Fernsehen jedoch erst seit der großen Umstellung der terrestrischen Fernsehübertragung, die im November 2002 in Berlin Ihren Anfang nahm und inzwischen zahlreiche weitere Ballungsräume erreichte. Eine digitale Revolution einhergehend mit grundlegenden Änderungen in den Sehgewohnheiten oder Inhalten fand jedoch bis heute nicht statt.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der bisherigen Entwicklung, dem derzeitigen Stand des digitalen Fernsehens und möglichen Perspektiven für die Zukunft.

Nachdem bei der Einführung des digitalen Fernsehens eine große Anzahl von Akteuren beteiligt ist – Programmveranstalter, Rechteinhaber, Netzbetreiber, Hersteller der Empfangsgeräte, Handel, Landesmedienanstalten, die staatliche Verwaltung und nicht zuletzt der Nutzer beziehungsweise Zuschauer – und auch verschiedene Dimensionen enthält – kartell- und medienrechtliche, technische und finanzielle – sind verschiedene Einschränkungen notwendig: Im folgenden werden die tech­nischen Voraussetzungen und ihre Folgen sowie die möglichen Übertragungswege, ihre Entwicklung, die Bedeutung und ihre Inhalte dargestellt, die rechtlichen Implikationen der Digitalisierung müssen ausgeklammert werden. Daneben erfolgt eine Einschränkung auf Deutschland, wenngleich andere Länder wie das Vereinigte Königreich, Finnland, die USA oder Japan in Ihrer Entwicklung bereits weiter fortgeschritten sind. Diese Länder werden jedoch in ausgewählten Fällen zum Vergleich herangezogen.

Geschichte des digitalen Fernsehens in Deutschland



Die Geschichte des digitalen Fernsehens in Europa kann man frühestens mit der Gründung der European Launching Group im Jahre 1991 beginnen lassen, die die Entwicklung digitalen Fernsehens in Europa überwachen sollte. Im September 1993 benannte sie sich in Digital Video Broadcasting Project (DVB) um (<DVB 2003>), das sich im Oktober 1994 auf Normen für die Ausstrahlung digitalen Fernsehens über Kabel, Satellit und Terrestrik einigte. Im Februar 1995 erfolgte der Start der ersten digitalen Pilotprojekte in Deutschland. (<Zervos 2003>, 128) Am 01.04.1996 begann RTL als erster deutscher Sender sein Programm zusätzlich digital über Satellit zu übertragen, knapp vier Monate später am 28.07.1996 nahm mit dem zu Kirch gehörenden Pay-TV-Sender DF1 der erste nur digital verbreitete Sender in Deutschland den Sendebetrieb über Satellit auf. (ebd., 129) Premiere folgte im Februar 1997, die analoge Verbreitung wurde jedoch bis zum 28.02.2003 beibehalten, zwei Jahre länger als ursprünglich geplant. (ebd., 135; <Eckstein 2003>, 7) Ab 01.11.1997 wurde digitales Fernsehen auch in das Kabel der Telekom eingespeist. (<Zervos 2003>, 131) Im Februar 1998 startete die Bundesregierung die Initiative digitaler Rundfunk, auf Basis deren Vorarbeiten beschloss die Bundesregierung am 24.08.1998, dass bis zum Jahr 2010 die analoge Verbreitung von Rundfunk eingestellt und eine vollständige Umstellung auf digital erfolgt sein soll. (ebd., 132; <BT Drucksache 13/11380 1998>) Am 01.04.2000 überführte das ZDF seine digitalen Angebote in den Regelbetrieb, ARD Digital folgte am 01.01.2001. (<Zervos 2003>, 137) Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gab am 04.04.2002 die Eckpunkte für das Frequenzzuteilungsverfahren zur Einführung digitalen terrestrischen Fernsehens bekannt. (ebd., 138) Am 01.11.2002 lief mit der Umstellung zweier analoger Kanäle auf die digitale Verbreitung für Demonstrationszwecke der Regelbetrieb für DVB-T im Großraum Berlin an, es war die erste Region in Deutschland in der die Digitalisierung der Terrestrik durchgeführt wurde. Am 04.08.2003 wurde die analoge Verbreitung von Fernsehen in Berlin vollkommen eingestellt. (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003>, 558) Seitdem folgten im Mai 2004 die Regionen Köln/Bonn, Bremen/­Unter­weser, Hannover­/­Braunschweig, im Oktober 2004 das Rhein-Main-Gebiet, im November 2004 Düsseldorf und Ruhrgebiet, Hamburg/Lübeck und Kiel, im Mai 2005 die Regionen München und Nürnberg.



Definitionen und grundlegende Erklärungen

Digitales Fernsehen ist kein Synonym für Pay-TV oder Bezahlfernsehen, wenn auch diese begriffliche Verbindung im allgemeinen Sprachgebrauch besteht beziehungsweise bestand. Dies kam wohl dadurch zustande, dass DF1 als erste Sender, der offensiv Digitalfernsehen bewarb, ein Pay-TV-Sender war. Der Terminus digitales Fernsehen schließt auch nicht zwingend Interaktivität ein, die digitale Übertragung ist hinreichend.

Durch die Vervielfachung der Programme werden Senderfamilien zu sogenannten Bouquets zusammengeschlossen, die mehrere Programme oder Dienste beinhalten können. Diese werden unter einer Dachmarke zusammengefasst und bieten so dem Zuschauer Orientierung, ähnlich wie es früher durch die sogenannten Leitprogramme (ARD, ZDF, RTL, SAT.1) der Fall war. Im digitalen Bouquet des ZDF befinden sich zum Beispiel die Fernsehprogramme ZDF, ZDFdokukanal, ZDFinfokanal, ZDFtheaterkanal, 3sat, arte, Kinderkanal, Phoenix, EuroNews und EUROSPORT sowie der Dienst ZDFdigitext (<ZDF o.D.>; <Ziemer 2000>, 20f.)

Durch die starke Zunahme von Programmen ist eine neue Form der Auswahl der Programme notwendig. Dies kann entweder über sogenannte Navigatoren oder EPGs (Electronic Programme Guides) erfolgen. Navigatoren sind reine Programm- beziehungsweise Bouquetverzeichnisse, die neben dem jeweiligen Namen keine weiteren Informationen enthalten, sie sind Teil der Software des Empfangsgerätes. EPGs hingegen beinhalten redaktionell aufbereitete Informationsangebote zu den einzelnen Sendungen, bieten Hinweise auf weiterführende Angebote oder auch Merchandising. Sie ermöglichen die Suche nach bestimmten Stichwörtern oder Genres oder "merken" sich die Vorlieben des Nutzers, so dass sie auf diese Weise Programmempfehlungen geben können. Sie können auch Schnittstelle für die komfortable Programmierung von Videoaufzeichnungen beinhalten. Verantwortlich für die Herstellung für EPGs können Programmveranstalter, Netzbetreiber, Hersteller der Empfangsgeräte oder auch Fernsehzeitungsredaktionen sein. (<Krüger 2000>, 56-59; <König 1997>, 42f.)



Technische Voraussetzungen und ihre Folgen



Grundlegende Unterschiede zwischen analoger und digitaler Fernseh­ver­brei­tung

Während analoge Übertragung Daten durch kontinuierliche Größen im Zeit- und Wertebereich abbildet, beschreibt die digitale Übertragung Daten durch diskrete Werte eines begrenzten Zeichenvorrats, zumeist 0 und 1. Die analoge Übertragung ist theoretisch unendlich genau, die digitale hingegen entnimmt Messwerte gemäß eines Abtastrasters aus den zu übertragenden Daten, ihre Genauigkeit ist durch dieses Raster entsprechend begrenzt. (<Ziemer 2003>, 21-23)

Um eine optimale Frequenznutzung der verschiedenen Übertragungswege (Kabel, Satellit und Terrestrik) in Hinblick auf die jeweiligen typischen Störungen zu gewährleisten, mussten für jeden Übertragungsweg spezielle Standards entwickelt werden: DVB-C für Kabel, DVB-S für Satellit und DVB-T für die Terrestrik, die unten noch genauer beschrieben werden.

Obwohl diese einzelnen Signale untereinander nicht ohne Konvertierung austauschbar sind – die in diesem Fall als Transmodulation bezeichnet wird –, durchläuft ein Fernsehbild bei der digitalen Übertragung bei allen Varianten eine ähnliche Kette an Bearbeitungsschritten:

Durch die Digitalisierung können neben dem Fernsehbild auch andere Dienste übertragen werden, für den Transport ergibt sich kein Unterschied. Ebenso kann die Qualität der Übertragung skaliert werden, so dass entweder viele Programme in schlechter Qualität oder wenige in guter Qualität übertragen werden können. (vgl. <Freyer 2004>, 25; <Knauth 2000>, 126-128)



Kompression/Reduktion: Kapazitätserweiterung und neue Programme

Wenngleich bei der Digitalisierung Daten verloren gehen, ist die Datenmenge noch zu groß , als dass sich die Übertragung unter finanziellen Gesichtspunkten lohnen würde. (<Freyer 2004>, 15-19) Ein digitales Signal lässt sich jedoch relativ einfach mit Verfahren der Datenkompression bearbeiten und so in seiner Größe reduzieren. Beim DVB-Standard erfolgt die Datenkompression nach der Norm MPEG-2, die die zu übertragenden Daten auf bis zu 10% ihrer ursprünglichen Größe reduzieren kann.1

Die Größenreduktion des zu übertragenden Signals wird durch die Ausnutzung verschiedener Redundanzen erreicht, die sich in den einzelnen Bildern befinden, aus denen sich das bewegte Bild zusammensetzt: Räumliche Redundanz beschreibt, dass in einem Bild Bereiche die gleiche Farbe und Helligkeit besitzen, so dass man lediglich einen "Musterbereich" vollständig übertragen muß und die restlichen dann unter Verweis auf diesen darstellen kann (intraframe compression). Zeitliche Redundanz bezieht sich auf die Tatsache, dass zwischen den Einzelbildern oft nur geringe Unterschiede bestehen. Übermittelt man nur diese Änderungen zum Vorgängerbild, ergibt sich wiederum Einsparpotential für die Übertragung (interframe compression). Da sich aufeinanderfolgende Bilder nur gering unterscheiden, kann man die Änderungen statistisch vorhersagen, was wieder eine Reduktion der Datenmenge zulässt. Zuletzt besteht noch psycho-optische Redundanz, da das menschliche Auge nur über begrenzte Wahrnehmungsfähigkeiten verfügt. Sobald eine Farbänderung eine bestimmte Grenze unter- beziehungsweise eine Bewegung eine bestimmte Geschwindigkeit überschreitet, kann ein Mensch diese nicht wahrnehmen, sie muß also nicht übertragen werden. Diese Verfahren zur Datenreduktion verändern die menschliche Wahrnehmung der Bilder beziehungsweise der Filmsequenz nicht und sind deshalb verlustfrei. (<Freyer 2004>, 31-33)

Bei der analogen Fernsehverbreitung ist für jedes Programm eine gewisse Bandbreite nötig, so dass das vorhandene Frequenzspektrum in Kanäle in denen dann die einzelnen Programme liegen, aufgeteilt wurde. Durch die oben dargestellten Formen der Datenkompression benötigt die digitale Verbreitung eine wesentlich geringere Bandbreite als die analoge. Um jedoch Störungen in der Simulcastphase, das heißt in der Phase der gleichzeitigen Verbreitung des Fernsehens in analoger und digitaler Form, zu vermeiden, hält man an der Kanalaufteilung aus analoger Zeit fest. Ein Kanal beinhaltet also ein analoges oder mehrere digitale Programme beziehungsweise Dienste, was durch den Einsatz eines Multiplexers ermöglicht wird, der die verschiedenen Datenströme der Einzelprogramme und Dienste zu einem Gesamtdatenstrom zusammenfasst und sie dann auf diesem Fernsehkanal überträgt. (<Freyer 2004>, 19f.; <Zervos 2003>, 52f.)

Die bis zu verzehnfachten Kapazitäten lassen sich auf verschiedene Arten nutzen: zum einen für eine Verbesserung der Bild- und Tonqualität des übertragenen Programms, zum anderen für eine Vervielfachung der Programme oder neue (interaktive) Dienste. Die Verbesserung der Bildqualität beziehungsweise die Übertragung von HDTV (High Definition Television, Fernsehen mit einer erheblich verbesserten Auflösung) spielt in den USA eine große Rolle, was mit dem schlechten dortigen Fernsehbild zusammenhängt, in Deutschland sind HDTV-fähige Endgeräte allerdings nur schwierig zu beziehen. In Europa wird mehr das Augenmerk auf eine Vervielfachung der angebotenen Programme gelegt. (<König 1997>, 33f.; <Wilkens 2005>; <Riedel/Werner/Wirts 2004>, 4) Die Programmvervielfachung kann sich in verschiedener Hinsicht äußern: Schon verfügbare Programme werden einem größeren Publikum zugänglich gemacht, zum Beispiel wenn Lokal- oder Regionalprogramme national verbreitet werden (vgl. beispielsweise <Pregel 2003>) oder bisher unter Bandbreitenmangel leidende Verbreitungswege werden erweitert, wie es bei der terrestrischen Übertragung der Fall ist, wodurch neue Programme an den Markt gelangen können, die eine sehr spezielle Zielgruppe haben oder sich nur einem bestimmten Thema widmen (Sparten-/Themenkanäle). Die Durchsetzungsfähigkeit solcher Fernsehprogramme wird jedoch skeptisch beurteilt, da in Deutschland auch die Vollprogramme Spartenthemen abdecken und gerade mit den öffentlich-rechtlichen Sendern eine große Anzahl von Vollprogrammen am Markt vorhanden ist. Daneben ist für den deutschen Markt auch eine gewisse technische Produktionsqualität erforderlich, die nicht mit dem geringen Budget eines Spartenkanals zu erreichen ist. (<Haas 2004>, 525-527) Eine Finanzierung solcher Spartenprogramme dürfte über normale Werbeeinnahmen problematisch sein, da im Allgemeinen kein hinreichend großes Publikum erreicht wird, als Ausweg bleibt die Gestaltung als Pay-TV. (<König 1997>, 31f.)

Der Oberbegriff Pay-TV umfaßt eine Vielzahl von Abrechnungs- beziehungsweise Bezahlformen. Am bekanntesten ist bisher das Pay-per-Channel, bei dem ein oder mehrere Kanäle abonniert werden und deren gesamtes Programm gegen die Zahlung eines Pauschalpreises konsumiert werden kann. (<Breunig 1997>, 14) Aufwendiger gestaltet sich Pay-per-View, bei dem nicht mehr ganze Kanäle abonniert und pauschal bezahlt werden, sondern nur noch tatsächlich konsumiertes bezahlt werden muß. (ebd., 16) Eine Sonderform von Pay-Per-View stellt (Near-)Video-on-Demand dar, bei dem der Nutzer zu einem beliebigen Zeitpunkt einen Film erwerben und sich diesen ansehen kann. Während bei Video-on-Demand die Ausstrahlung des Films tatsächlich erst beginnt, wenn der Kunde diesen bestellt hat, wird bei Near-Video-on-Demand dieser unabhängig von einer speziellen Anforderung zeitversetzt auf verschiedenen Kanälen ausgestrahlt, so dass der Nutzer nur einige Minuten warten muß, bis der Film beginnt. Das Near-Video-on-Demand-Verfahren ist insofern ressourcensparender, da an einer Ausstrahlung mehr als ein Zuschauer teilnehmen kann. (ebd., 15)

Die drei letzten dargestellten Abrechnungsmodi reichen bereits in den Bereich des interaktiven Fernsehens hinein, das durch die Digitalisierung neuen Aufschwung erhält. Für interaktives Fernsehen ist ein Rückkanal notwendig, der jedoch nur beim Fernsehkabel integriert ist. Interaktives Fernsehen bedeutet nun, dass der Zuschauer nicht mehr nur auf die Rolle des Rezipienten festgelegt ist, sondern auch die Möglichkeit hat, das Programm zu beeinflussen.2 Als interaktive Elemente neben den bereits genannten sind zu ergänzen: Aufruf von Zusatzinformationen zur Sendung, die Wahl der Kameraperspektive, die Auswahl unter verschiedenen Handlungsmöglichkeiten einer Figur in einem Film, um so die weitere Handlung zu beeinflussen, die Teilnahme an Abstimmungen oder Befragungen, die Kommunikation zu Fernsehsendungen mit anderen Zuschauern oder dem Programmveranstalter, das Einkaufen über den Fernsehschirm und anderes. (<König 1997>, 32f.; <Grünwald 2001>, 24f.; <Eckstein 2003>, 5f.; <Woldt 2004a>, 302f.)



Empfangsgeräte für digitales Fernsehen

Um digitales Fernsehen anzeigen zu können, benötigt das Fernsehgerät ein entsprechendes Empfangsmodul, das die DVB-S-, DVB-C- beziehungsweise DVB-T-Signale entsprechend übersetzt. Bei neuen Geräten kann dieses Empfangsmodul bereits entsprechend fest im Gerät verbaut sein. Alte Fernsehgeräte lassen sich mit Hilfe eines Zusatzgerätes, einer sogenannten Set-Top-Box (STB) nachrüsten. Diese STB ist dann auch für die Darstellung der Zusatzangebote des digitalen Fernsehens wie zum Beispiel des EPG oder interaktiver Inhalte zuständig. (<Paulus/Thiessen 2003>, 101) Neben dem klassischen Empfang mit dem Fernsehgerät besteht natürlich die Möglichkeit, digitales Fernsehen am Computer zu empfangen. Dazu muß der Computer mit einer entsprechenden Steckkarte erweitert werden, die Darstellung erfolgt über die normale Computerhardware. (<Freyer 2004>, 51)



API oder Middleware: Zusatzdienste und Interaktivität

Damit die STB beziehungsweise der Fernseher mit entsprechend integriertem Empfangsmodul multimediale Zusatzdienste, Anwendungen oder EPGs von Programmveranstaltern oder spezialisierten EPG-Redaktionen darstellen kann, ist eine sogenannte API oder Middleware notwendig, die dem Betriebssystem bei Computern, zum Beispiel Linux oder Windows, vergleichbar ist. Diese Middleware ist jedoch nicht mehr durch den DVB-Standard definiert, so dass hier verschiedene, teilweise proprietäre Lösungen konkurrieren beziehungsweise konkurrierten.

Ursprünglich befanden sich auf dem deutschen Markt drei unterschiedliche Systeme: Betanova aus der d-box, OpenTV in F.U.N.-Receivern und MHP. Mit der Mainzer Erklärung vom 19.09.2001 verständigten sich die Programmveranstalter ARD, ZDF, Kirchgruppe und RTL sowie die Landesmedienanstalten darauf, in Zukunft auf jeden Fall den MHP-Standard zu unterstützen und entsprechend zu fördern. (<Mainzer Erklärung 2001>) Diese Absicht wurde mit der Berliner Erklärung vom Februar 2004 erneut bekräftigt. (<Klaß 2004>)

Betanova von Betaresearch ist das API der d-box I und II. Dieser Decoder wurde von der Kirchgruppe bis Ende 1999 beziehungsweise 2002 für den Empfang des Pay-TV-Senders Premiere vertrieben. Zunächst war Betanova nicht offengelegt, der Empfang von digitalen Programmen anderer Anbieter (ARD, ZDF oder RTL) war möglich, Zusatzdienste wie EPGs dieser Programmveranstalter konnten jedoch nicht benutzt werden. Gemäß der Mainzer Erklärung entschied sich jedoch auch die Kirchgruppe in Zukunft das nicht-proprietäre MHP zu unterstützen und von der Taktik einer speziellen Middleware abzugehen. Mitte des Jahres 2003 sollten die im Markt befindlichen 2 bis 2,5 Millionen d-boxen II per Update mit MHP nachgerüstet werden, soweit die technischen Voraussetzungen erfüllt waren. Obwohl entsprechende Änderungen im Betanova der d-box II implementiert und erfolgreich getestet worden waren, verteilte Premiere diese Betanova-Version nicht an die Endkunden. (<Zervos 2003>, 57f.; <Pantle 2003>, 29)

OpenTV ist mit 49% weltweitem Marktanteil der dominierende Anbieter für APIs. Diese beherrschende Stellung wurde 2002 auch dadurch gestärkt, dass der Medienkonzern Liberty Media Corporation die Aktienmehrheit übernahm. OpenTV, das bis zum 01.01.2004 auch für die interaktiven Angebote von ARD und ZDF zum Einsatz kam, erhielt als weiteres Einsatzfeld die in aller Welt befindlichen Kabelnetze von Liberty Media. OpenTV wurde zu MHP kompatibel gemacht, so dass die Bedeutung des proprietären OpenTV in Deutschland zu Gunsten von MHP schwand, da alle Angebote, die früher kompatibel zu OpenTV verbreitet wurden, nun auf MHP umgestellt wurden. (<Zervos 2003>, 58)

Der einzige nicht proprietäre, offene Standard für eine Middleware liegt in Form der Multimedia Home Platform (MHP) vor. MHP wurde seit 1997 vom DVB-Project entwickelt und wurde 2000 von der ETSI offiziell standardisiert. Zum Einsatz kommen bei MHP Techniken, die schon aus dem Bereich des WWW bekannt sind, wie zum Beispiel Java oder HTML. (ebd., 59; <Freyer 2004>, 71)

Man unterscheidet drei verschiedene Profile bei MHP:

Neben diesen Profilen beinhaltet MHP auch ein Sicherheitsmodell, das Schutz vor Verfälschung auf dem Übertragungsweg und unbefugten Zugriff bieten soll, sowie die Erkennbarkeit des Urhebers sichern soll. (<Freyer 2004>, 69-72)

MHP ist trotz seiner erhofften positiven Effekte nicht unumstritten, da es aufgrund der Möglichkeiten, die es bietet, höhere beziehungsweise deutlich höhere Anforderungen an die in der STB verbaute Hardware stellt, als eine STB deren Verwendungszweck auf die Darstellung digitalen Fernsehens beschränkt ist (sogenannte Zapping-Box). (ebd., 72; <Zervos 2003>, 60) Für das Jahr 2000 wurden unter anderem folgende Anforderungen gestellt: Steuerungsprozessor mit 50 MHz, 16 MB Arbeitsspeicher, 10 MB freier Datenspeicher für Informationsdienste. (<Krüger 2000>, 46) Daneben haben gerade Kabelnetzbetreiber im Sinne der Kundenbindung nicht unbedingt ein Interesse daran, offene Standards zu unterstützen. So ist beispielsweise der EPG von Kabel Deutschland nur mit einer STB von Pace zu empfangen3, die von ish4 beziehungsweise Kabel BW5 vertriebenen STB beinhalten keine MHP-Unterstützung. Andererseits wurde zumindest zwischen ARD, ZDF und Kabel Deutschland vereinbart, "dass MHP die einheitliche Basistechnologie für multimediale und interaktive Zusatzangebote sein wird". (<Woldt 2004>, 264) Ein Verzicht auf MHP schlägt sich in einem geringeren Preis und damit einer erhofften niedrigeren Kaufschwelle für umstiegswillige Kunden nieder. (vgl. hierzu auch <Paulus/Thiessen 2003>, 108f; <Woldt 2002>, 46)

Betrachtet man nun noch den Marktanteil von MHP-fähigen STB, der mit Größenordnungen von "unter 0,1%" (<Jurran 2005>) angegeben wird6, kann die Zukunftsfähigkeit von MHP trotz der umfangreichen technischen Möglichkeiten bezweifelt werden. Man steht hier offenbar vor einem "klassischen Henne-Ei-Problem": Die Programm­anbieter zögern MHP-Programme und -Dienste zu produzieren und zu senden, ehe nicht die Anzahl der MHP-fähigen Geräte am Markt größer geworden ist, die Gerätehersteller verhalten sich ihrerseits abwartend, MHP-STB zu produzieren, ehe nicht entsprechende Programme und Dienste ausgestrahlt werden. In der Zwischenzeit füllt sich der Markt mit Zapping-Boxen, die nicht aufrüstbar sind, aber die wichtigste Funktion einer STB erfüllen: die Darstellung des digitalen Fernsehprogramms. Käufer einer solchen Zapping-Box werden dann aber wohl nicht so leicht zu überzeugen sein, später nochmals Geld für ein MHP-fähiges Gerät zu investieren. Die Einführung von interaktiven Angeboten wird unmöglich, da keine entsprechende Geräteausstattung vorhanden ist. (<Eckstein 2003>, 9f.)

Gleichzeitig zeigte jedoch der DVB-T-Testbetrieb in Graz im Jahre 2004, dass MHP-Dienste nachgefragt wurden. Über die Hälfte der Teilnehmenden Nutzer nahm mindestens einmal pro Woche die Zusatzdienste in Anspruch, 10% sogar jeden Tag (<RTR 2004>, 79). Bei den in Anspruch genommenen Zusatzdiensten rangierten reine Informationen wie Wetterbericht, Nachrichten oder zum Fernsehprogramm vor interaktiven Angeboten, wie dem Bestellen von Musikclips nach dem Wunschkonzert-Prinzip (46%), Abstimmungen (41%), Wetten (40%), Bestellen eines Wunschfilms (27%) oder Kauf von Waren (26%). Mehr als die Hälfte der Nutzer eines der Angebote verwendete dieses mindestens drei bis fünf Mal. Keines der interaktiven Angebote nutzten 38% der Teilnehmer am Feldversuch. (ebd., 80-86).

Diese Ergebnisse des Feldversuchs sind natürlich unter idealisierten Bedingungen zustande gekommen. So waren alle 150 Testhaushalte mit rückkanal- und MHP-fähigen STB von insgesamt vier Herstellern ausgestattet worden, dies bedingte zum einen eine hervorragende technische Ausstattung der Testhaushalte sowie eine starke Homogenität in den der verwendeten Technik, so dass die stattfindenden Tests der MHP-Applikationen nur auf einer überschaubaren Anzahl verschiedener Gerätetypen stattfinden musste (ebd., 18, 21f.). Überdies fielen für die Nutzung der verschiedenen Dienste wie das Bestellen von Musikclips (ebd., 52) oder das platzieren von Wetten, bei denen Einsatz und Gewinn aus Punkten bestand (ebd., 30, 56f.), wohl keine Kosten an. Gerade die Kosten dürften bei der normalen Anschaffung eine Rolle spielen. Auf die Frage nach einer Anschaffungsabsicht für einen DVB-T-Empfänger, falls denn die DVB-T-Verbreitung fortgesetzt wird, antworten 35% aller Teilnehmer unabhängig vom Empfangsweg, den sie bisher nutzten, positiv, der Anteil in der Gruppe derjenigen Teilnehmer, die bisher analog-terrestrisch fernsahen, lag sogar bei 51%. Die Investitionsbereitschaft lag bei der überwiegenden Mehrheit (über 50%, bis auf die bisherigen Kabelnutzer) bei unter 200 EUR, bis 400 EUR würde ungefähr ein Viertel, über 400 EUR höchstens ein Zehntel ausgeben. (<RTR 2004>, 88-90) Gerade jedoch die finanzielle Zurückhaltung, die bei der Anschaffung einer DVB-T-STB an den Tag gelegt wird, dürfte problematisch werden. Die einzige MHP-fähige STB zum Empfang terrestrischen digitalen Fernsehens kostet laut der Gerätedatenbank von digitalfernsehen.de 299 EUR7. Es ist also auch hier davon auszugehen, dass unter anderem aus Kostengründen keine MHP-fähigen STB angeschafft werden dürften – trotz der positiv bewerteten Erfahrungen mit den MHP-Anwendungen.

Offene Standards haben den großen Vorteil, herstellerunabhängig zu sein und Anbieter von digitalen Zusatzangeboten zu ermöglichen, Produktionskosten zu senken, da sie nicht verschiedene Plattformen unterstützen müssen. Gleichzeitig sind offene Lösungen auch zukunftssicherer, da die Weiterentwicklung beziehungsweise Fehlerbehebung nicht von einer einzigen Firma abhängt.



Vorrichtungen für die Zugangskontrolle: Kontrolle der Verbreitungswege

Um Inhalte anbieten zu können, für die bezahlt werden muß (Pay-TV) oder die den speziellen Vorschriften des Jugendschutzes unterliegen, also explizite Darstellung von Gewalt oder Sexualität beinhalten, ist es notwendig, diese verschlüsseln und so den Zugang dazu beschränken zu können. Der DVB-Standard sieht für den Zugriff auf verschlüsselte Angebote (Conditional Access, CA) zwei verschiedene Möglichkeiten vor: Simulcrypt oder Multicrypt, das mit Hilfe eines Common Interface (CI) realisiert wird. Da es keinen einheitlichen Verschlüsselungsstandard unter den Pay-TV-Anbietern gibt, dienen beide Verfahren dazu, mit einem einzigen Decoder die Ausstrahlungen verschiedener Anbieter empfangen zu können, die unter Umständen mit unterschiedlichen Verschlüsselungsalgorithmen codiert wurden.8 Bei beiden Verfahren weist sich der Nutzer gegenüber dem System mit einer sogenannten Smartcard aus, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, welches Abonnement oder Video-On-Demand er bestellt hat.

Beim Multicrypt-Verfahren besitzt die STB einen oder mehrere standardisierte Steckplätze, sogenannte Common Interfaces, in die das entsprechende Entschlüsselungsmodul (Conditional Access Module, CAM) eingesteckt werden kann. Die STB besitzt im Allgemeinen keine fest installierte Dechiffrierungseinrichtungen, sondern der Benutzer kann diese nach eigenem Willen nachrüsten.

Der ursprüngliche Anwendungsbereich von Simulcrypt bestand darin, den Empfang eines ver­schlüs­selten Programms mit STB verschiedener Typen zu ermöglichen, bei denen das Entschlüsselungsmodul in Hard- oder Softwareform fest verbaut war. Bei diesem Verfahren wird das gesendete Programm mit mehreren verschiedenen Ver­schlüs­selungsverfahren chiffriert, so dass jeder Decoder, der eines dieser Verfahren beherrscht, das Programm entschlüsseln kann. Zu Abrechnungszwecken müssen zwischen den Programmveranstaltern Kundendaten ausgetauscht werden - um die vertraulichen Kundendaten gegen Missbrauch zu schützen, greift man auf eine neutrale Abrechnungsstelle zurück. (<Freyer 2004>, 45-47; <Hofmeier 2002>)

Beide Verfahren verfügen über Vor- und Nachteile. Simulcrypt besitzt unter kryptologischen Gesichtspunkten den Nachteil, dass es ausreicht eines der verwendeten Verschlüsselungsverfahren zu brechen, um das Programm unverschlüsselt empfangen zu können. Die Chiffrierung ist also nur so sicher wie das schwächste Verfahren. Wenn das Entschlüsselungsmodul in Hardwareform fest installiert ist, müsste man die gesamte STB austauschen, falls das Chiffrierungsverfahren gewechselt werden sollte, um beispielsweise einen unsicher gewordenen Verschlüsselungsalgorithmus gegen einen neuen, sicheren auszutauschen. Gleichzeitig ermöglicht eine STB ohne CI besser den Markt gegen neue Konkurrenten abzuschotten, da diese nicht so schnell ihre CAMs verteilen können und ggf. auf das für den Sender teurere Simulcrypt-Verfahren zurückgreifen müssen. (ebd.) Aus Kundensicht ist gerade diese einfache Erweiterbarkeit jedoch ein großer Vorteil, da man so auch neue Pay-TV-Anbieter abonnieren kann, ohne die gesamte STB auszutauschen beziehungsweise ein Zweitgerät aufzustellen. CAMs, die über das CI verwendet werden, sind jedoch meistens nicht in den Paketen enthalten, die von Pay-TV- oder den Kabelanbietern vertrieben werden, so dass die Anschaffungskosten voll zu Lasten des Kunden gehen, wie man zum Beispiel an den Paketen von Kabel Deutschland9, KabelBW10 oder ish11 sehen kann.

Einen besonderen Streitpunkt birgt die sogenannte Grundverschlüsselung, die hauptsächlich bei der Verbreitung über Kabel und Satellit im Gespräch ist. Bei der Grundverschlüsselung im Kabel sollen die privaten, werbefinanzierten Programme (Free-TV) verschlüsselt werden. Die Netzbetreiber, die als hauptsächliche Befürworter dieses Vorhabens auftreten, versprechen sich von dieser Maßnahme, dass Nutzer weniger sogenannte Free-To-Air-Set-Top-Boxen anschaffen würden, die über keine CA-Einrichtungen verfügen, lediglich zum Empfang von unverschlüsselten Program­men geeignet und durch den Verzicht auf diese Entschlüsselungstechnik folglich auch kostengünstiger sind, sondern eine STB kaufen, die über CA-Einrichtungen verfügt, da sonst die Vielfalt der zu empfangenen Programme im digitalen geringer als im analogen Kabel ist. Dies erleichtert die Einführung von Pay-TV-Angeboten von dritten Programmveranstaltern oder der Netzbetreiber, da bereits entsprechendes Gerät vorhanden ist - die Hemmschwelle eine neue STB anschaffen zu müssen fällt weg. Daneben bietet die Grundverschlüsselung den Netzbetreibern die Möglichkeit, weitere Einnahmen zu erzielen, zum Beispiel für die Freischaltung dieser Programme (<Löding 2004>) oder indem nun der Kabelanschluss gerätegenau, nicht mehr nur haushaltsgenau abgerechnet werden kann. Die betroffenen Programmveranstalter sind jedoch meist nicht mit dieser Grundverschlüsselung einverstanden, da dies die Mindestvoraussetzungen für den Empfang ihrer Programme erhöht und dementsprechend zu Reichweitenverlusten führt, was sich wieder in verminderten Werbeeinnahmen niederschlägt. (<DLM 2004>; <Beckert/Dreier/Schulz/Zoche 2005>)

Bei der Übertragung über Satellit sind die Proponenten einer Grundverschlüsselung nicht die Netz- respektive Satellitenbetreiber, sondern die Inhaber der Urheber- beziehungsweise Verwertungsrechte an Filmen und insbesondere Sportveranstaltungen. Hier betrifft die Grundverschlüsselung nicht nur die privaten werbefinanzierten Fernsehsender, sondern auch die öffentlich-rechtlichen. Da Satellitenübertragungen in einer großen geographischen Region empfangen werden können, die Lizenzen für die Übertragung eines Filmes oder eines Sportereignisses jedoch staatenweise vergeben werden, reicht die unverschlüsselte Übertragung eines Programmveranstalters aus, um anderen Inhabern nationaler Lizenzen, die unter Umständen Pay-TV-Veranstalter sind, zumindest theoretisch einen wirtschaftlichen Schaden zu verursachen. Bei der analogen Satellitenübertragung wird dies hingenommen beziehungsweise über einen Preisaufschlag geregelt, da es keine wirksame technische Möglichkeit der Chiffrierung gibt, bei der digitalen Übertragung besteht aber zumindest die technische Möglichkeit. Besonders akut wird diese Problematik, wenn es sich um sportliche Großereignisse wie zum Beispiel Fußballweltmeisterschaften handelt. Bei der Weltmeisterschaft 2002 mussten ARD und ZDF kurzfristig die angekündigte digitale Übertragung aussetzen, da das Risiko von Regressforderungen zu groß war. Die Vertragsbedingungen mit dem Rechteinhaber KirchMedia hatten vorgesehen, dass ein Empfang der digitalen Übertragung außerhalb Deutschlands unterbunden werden sollte. Eine Verschlüsselung der Übertragung schied aus, da die meisten digitalen Satelliten-Receiver, die in der BRD in Gebrauch waren, Free-to-Air-Receiver ohne festintegrierte CAM oder CI waren, also weder zur Dechiffrierung fähig noch entsprechend nachrüstbar waren. Die zunächst gefundene Lösung - die Ausstrahlung über einen Sonderkanal, der im Ausland nicht oder nur schwierig zu empfangen war - wurde kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft von KirchMedia als nicht mehr ausreichend eingestuft und Nachforderungen angedroht, falls die Ausstrahlung stattfand, diesem Druck beugten sich dann ARD und ZDF. Für die öffentlich-rechtlichen Sender Österreichs und der Schweiz ist Grundverschlüsselung für die digitalen Programmen bereits Realität, da sie nicht über die notwendige wirtschaftliche Potenz verfügen, das Recht auf unverschlüsselte Übertragung von den Rechteinhabern zu erwerben. (<Zervos 2003>, 105-108)



Mögliche Übertragungswege



Die hauptsächlichen Übertragungswege verändern sich zunächst auch beim Umstieg auf das digitale Fernsehen nicht: es sind Satellit, Kabel und Terrestrik. Daneben gibt es Ansätze neue Übertragungswege zu erschließen, wie zum Beispiel breitbandige Datenleitungen, die mit DSL bereits in vielen Haushalten verfügbar sind, oder neue Endgeräte ins Spiel zu bringen, wie Mobiltelephone oder Handheld-Computer. Die Übertragung erfolgt in Europa nach den entsprechenden DVB-Standards: DVB-C für Kabel, DVB-S für Satellit und DVB-T für Terrestrisches Fernsehen. Außerhalb Europas sieht die Situation anders aus, für den Satelliten- und Kabelempfang kommen zwar auch dort meistens die DVB-Normen zum Einsatz, für terrestrisches Fernsehen existieren aber in Japan mit ISDB-T und in den USA und Kanada mit ATSC Alternativen. In China werden Versuche durchgeführt, welchen Standard man übernehmen oder ob man nicht doch einer Eigenentwicklung den Vorzug geben soll. (<Stadik 2004>12)



Fernsehkabel

In Deutschland empfangen 19,35 Millionen beziehungsweise 53%13 der TV-Haushalte Fernsehen über das Kabel (<Astra 2005>, 1), im Vergleich mit anderen europäischen Ländern liegt Deutschland damit in der Spitzengruppe (<EPRA 2004>, 21).

Durch diese herausragende Stellung besitzt dieser Verbreitungsweg auch eine entsprechende wichtige Position für eine erfolgreiche Digitalisierung des Fernsehens.

Die technischen Voraussetzungen für die Digitalisierung im Kabel, die bis 2010 abgeschlossen sein soll (<Beckert/Dreier/Schulz/Zoche 2005>, 3), sind eigentlich ideal: so scheiden zahlreiche Störeinflüsse aus, wie zum Beispiel schlechtes Wetter. Das Signal muß also nur minimale Robustheit aufweisen, auf umfangreiche Vorkehrungen zur Übertragungssicherung kann in viel höherem Maße als bei Satelliten- oder terrestrischer Übertragung verzichtet werden, so dass größere Bandbreiten für Nutzdaten zur Verfügung stehen: ein Kanal im Kabel kann dementsprechend acht bis zehn Programme aufnehmen. (<Freyer 2004>, 67) Es kann auch die volle Bandbreite des Kabels zur Signalübertragung genutzt werden, da nicht auf andere Dienste oder Nutzungen wie bei der Terrestrik Rücksicht genommen werden muß. (ebd., 57f.; <Ziemer 2003>, 109) Daneben verfügt es bei entsprechenden Ausbau im Gegensatz zu Satellit und Terrestrik über einen integrierten Rückkanal.

Trotz dieser Vorteile befindet sich das Kabel bei der Digitalisierung im Hintertreffen: Lediglich 1,98 Millionen Haushalte empfangen digitales Fernsehen über Kabel, was einem Anteil von etwas mehr als 10% der Kabelhaushalte entspricht. (<Astra 2005>, 2)

Die Gründe hierfür sind vielfältig: Die Problematik der Grundverschlüsselung, die dazu führt, dass bisher kein großer privater Free-TV-Sender digital im Kabel verbreitet wird, wurde oben schon angesprochen, auch müssten die Nutzer eine STB anschaffen - eine Investition, deren Sinn sich bisher nicht unbedingt erschließt, da das Programmangebot mit ungefähr 30 Kanälen im analogen Kabel bereits umfangreich ist. Die weltweit einzigartige Unterteilung der Kabelnetze in verschiedene Netzebenen und damit einhergehend eine entsprechende Zersplitterung der Netze, fehlgeschlagene Übernahmen beziehungsweise Fusionen der neuen Kabelregionalgesellschaften, der langsame Verkauf der Kabelnetze durch die Telekom und die mangelhafte Modernisierung des Kabelnetzes in den letzten Jahren sind weitere Gründe.

Als Ende der 1970er beziehungsweise Anfang der 1980er Jahre damit begonnen wurde, Fernsehkabel zu verlegen, erfolgte dies nicht nur unter ökonomischen Gesichts­punkten, sondern auch unter politischen, weswegen das Kabelnetz in verschiedene Netzebenen unterteilt wurde. (<Paukens/Schümchen 2000>, 34) Diese werden in der folgenden Abbildung dargestellt.



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Die Netzebenen 1 und 2 spielen heute bei der wirtschaftlichen Nutzung beziehungsweise bei Digitalisierung der Kabelnetze nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Bedeutsam sind die Netzebenen 3 und 4, in der die lokalen Verteilnetze sowie die Netze in Gebäuden erfasst werden. Ursprünglich war die Netzebene 3 in der Hand der Bundespost, später der Telekom, die diese dann ab 1999 aus EU-rechtlichen Gründen in das Tochterunternehmen Kabel Deutschland ausgliederte. Kabel Deutschland unterteilte seine geschäftliche Aktivität in verschiedene Regionen, die teilweise verkauft werden konnten. So entstanden die Unternehmen ish (Nordrhein-Westfalen), Kabel BW (Baden-Württemberg) und iesy (Hessen). Die übrigen Kabelnetze blieben in der Hand der Kabel Deutschland. (<Woldt 2002>, 34-37) Seit 2003 verfügt die Telekom über keine Beteiligung an Kabel Deutschland und damit an den Kabelnetzen mehr. (<Zervos 2003>, 43f.; <Woldt 2004>, 262)

Die Netzebene 4 befindet sich in der Verfügungsgewalt einer Vielzahl Beteiligter: kleine oder mittelständische Unternehmen, die von den Hauseigentümern mit dem Betrieb und der Wartung der Hausverteileranlage beauftragt sind, Hausverwaltungen beziehungsweise Wohnungsbaugesellschaften, kleinere Kabelgesellschaften, die eine von den oben genannten Netzebene 3-Betreibern unabhängige Zuführung besitzen, oder auch Netzebene-3-Betreiber, die direkte Verträge mit Endkunden geschlossen haben. (<Zervos 2003>, 41)



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Diese bewusste Trennung14 der großen Kabelnetzbetreiber von den eigentlichen Endkunden bereitet nun auch bei der Digitalisierung Probleme. Die umfangreichen Investitionen, die zum Zwecke der Digitalisierung der Netzebene 3 geleistet werden müssen, zahlen sich erst aus, wenn auch die Netzebene 4 entsprechend aufgerüstet wird. Selbst wenn dies erfolgt, besteht kein direktes Vertragsverhältnis zwischen dem Netzebene-3-Betreiber und dem Endkunden, das die Kabelgesellschaft für den Verkauf neuer Dienste wie Internetzugang und Pay-TV nutzen könnte, um eine schnelle Refinanzierung zu erreichen. (<Schmid 2004>, 33) Welchen Hemmschuh für die Digitalisierung die Trennung der Netzebene 3 und 4 darstellt, kann nicht nur im Vergleich mit dem Ausland (vgl. beispielsweise <Lauff 2004>, 16f.) erkannt werden, sondern auch im Vergleich der alten mit den neuen Bundesländern. Bereits in der DDR fand eine starke Verkabelung der Wohngebiete statt, eine Trennung von Netzebenen gab es nicht. Es entstanden relativ große Kabelinseln, die heute nicht zwingend auf eine Signalzuführung über die Netzebene 3 angewiesen sind, sondern per eigener Kabelkopfstation über Satellit versorgt werden können. Nach der Wiedervereinigung wurden diese Kabelinseln privatisiert und modernisiert. Der direkte Zugriff des Netzebene-3-Betreibers auf den Endkunden, eröffnete diesem eine Perspektive die Kosten für die Investitionen wieder zu erwirtschaften, so konnte die Primacom AG bereits im September 1999 in einigen Teilen Leipzigs Internetzugang über das Fernsehkabel anbieten. (<Paukens/Schümchen 2000>, 34f.; <primacom o.D.>)

Ein weiterer Grund für das langsame Fortschreiten der Digitalisierung des Kabels besteht im schleppenden Verkauf der Kabelnetze durch die Telekom und der entsprechend geringe Aufwand, den die Telekom als Eigentümerin betrieb, um sie technisch auf der Höhe der Zeit zu halten. Überspitzt formuliert waren die Kabelnetze bereits bei ihrer Installation technisch veraltet: man setzte statt auf die bereits verfügbare Glasfaser auf Kupferkoaxialkabel, das günstiger war und den damaligen politischen Willen – privaten Fernsehanbieter ein Publikum zu erschließen – genauso gut erfüllte. (<Zervos 2003>, 40) Nach Privatisierung der Bundespost war die Telekom nicht daran interessiert, durch den digitalen Ausbau des Kabels, sich selbst im Bereich von Datenleitungen Konkurrenz zu machen, zumal bald absehbar war, dass eine Veräußerung erfolgen musste – eine Aufrüstung erfolgte also nicht, vielmehr etablierte die Telekom DSL am Markt. Erst nach der Veräußerung aller Telekom-Anteile am Kabelgeschäft, wurde die Digitalisierung wiederbelebt. (<Woldt 2004>, 262f.)15

Die alten, unaufgerüsteten Kabelnetze sind in der Lage im Frequenzspektrum von 47 MHz bis 470 MHz Signale zu übertragen, was derzeit für 34 analoge Fernsehprogramme im Bereich von 47 bis 300 MHz und 12 digitale im Bereich 302 bis 470 (Hyperband) sowie Radio ausreicht. (<Freyer 2004>, 57) Die möglichen Kapazitäten sind damit aber noch nicht ausgeschöpft, nach entsprechender Aufrüstung können Signale im Frequenzspektrum bis 862 MHz übertragen werden, über ein so erweitertes Fernsehkabel können bis zu 1000 Fernsehprogramme verteilt werden. (<Ziemer 2003>, 113) Neue Dienste, die für eine Amortisierung der getätigten Investitionen wichtig sind, wie Video-On-Demand oder Internetzugang – wozu dann auch Telephonie in Form von Voice over IP (VoIP, Telephonieren über das Internet) gehört, erfordern ebenfalls eine solche Erweiterung der Übertragungskapazität (<Woldt 2004>, 266f.), die dann jedoch auch vom Aufbau von Fibre-Nodes flankiert werden muß, an denen die alten Kupferkoaxialnetze, deren relativ niedrige Bandbreite auf alle Teilnehmer verteilt wird, durch Umsetzung auf Glasfasernetze vom Datenverkehr entlastet werden können. (<Zervos 2003>, 43)

Schließlich führte die fehlgeschlagene Übernahme von Kabel Deutschland durch Liberty Media 2002 (<Woldt 2004>, 262) und die abgebrochene Fusion von KDG, ish, iesy und Kabel BW 2004 (<Kuri 2004>) auch nicht zu einer entsprechenden Konsolidierung des Marktes, die eine Digitalisierung erleichtert hätte. Der aktuellste Versuch für eine Fusion von ish und iesy liegt derzeit zur Prüfung beim Bundeskartellamt, das im Juni 2005 entscheiden will. (<Löding 2005>)

Das verfügbare Programmangebot im digitalen Kabel hängt von den verschiedenen Kabelbetreibern ab, als Beispiel sei dasjenige von Kabel Deutschland skizziert. Ohne Einschränkungen sind die digitalen Angebote von ARD (einschließlich aller Dritten Programme) und ZDF zu empfangen. Die werbefinanzierten Privatsender von ProSiebenSat.1 und RTL-Gruppe werden nicht digital eingespeist. Für alle weiteren Angebote ist eine Freischaltung bzw. der Erwerb eines Pay-TV-Paketes notwendig.

Als mögliche Pakete stehen Kabel Digital Basic (Zugang zu den Pay-TV-Kanälen Start und Direkt von Premiere, sowie 45 Musiksendern), Kabel Digital Home (30 Sender aus verschiedenen Sparten, ohne Werbeunterbrechung) und Kabel Digital International (verschiedene Pakete, die fremdsprachige Sender enthalten) zur Verfügung. Bei der Buchung eines Paketes wird man auch automatisch für einige Free-TV-Sender freigeschaltet, die grundverschlüsselt von Kabel Deutschland eingespeist werden (zum Beispiel Tele 5, BBC World, MTV, TV5, TRT International oder der Wett- und Spielekanal RAZE.TV). (vgl. <KDG o.D.>; <netzeitung.de 2004>)



Satellit

Über Satellit empfangen in Deutschland 15,47 Millionen beziehungsweise 43% der TV-Haushalte Fernsehen (<Astra 2005>, 1), digitalisiert sind davon 4,51 Mio. oder ca. 29%, womit die Nutzer von DVB-S zahlenmäßig die größte Gruppe beim digitalen Empfang ausmachen. Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, so dürfte das Wachstum weiter anhalten. (ebd., 2f.)

Satelliten strahlen ihr Signal von einer geostationären Position im Orbit über dem Äquator im Frequenzspektrum 950 bis 2150 MHz auf die Erde ab, dabei versorgen sie ein relativ großes Gebiet mit ihrem Signal. (vgl. <Ziemer 2003>, 115f.) Störungen treten in den unteren Schichten der Atmosphäre durch Regen, Hagel, Schnee etc. auf, die Auswirkungen sind stark regional begrenzt. (<Freyer 2004>, 53) Zum Empfang sind eine Satellitenantenne ("Schüssel"), deren "Sichtlinie" auf den Satellit frei von Hindernissen sein muß, sowie ein oder mehrere Digitalreceiver notwendig.

Technisch bedeutet die Digitalisierung für die Satellitenbetreiber keine Änderungen, es können weiter die Transponder verwendet werden, die bereits bisher das analoge Fernsehprogramm übertrugen, die Ausleuchtung, das heißt der Bereich in dem von diesem Satellit ausgestrahlte Programme empfangen werden können, bleibt ebenfalls gleich. Investitionen sind also für die Digitalisierung auf Seiten der Satellitenbetreiber nicht zu leisten. (<Ziemer 2003>, 117) Ein Transponder kann bei analoger Übertragung ein, bei digitaler acht bis zehn Programme aufnehmen (<Freyer 2004>, 67), die nach Transmodulation auch problemlos in einen Kabelkanal eingespeist werden können. (ebd., 59)

Die Gründe für den großen Erfolg des digitalen Satellitenfernsehens sind vielfältiger Natur: zum einen fallen für den Empfang von (digitalem) Satellitenfernsehen lediglich einmalig Kosten für die Anschaffung der Empfangsgeräte an, keine monatlichen Grundgebühren wie für den Kabelanschluss, (<Paukens/Schümchen 2000>, 37f.; <Zervos 2003>, 44). Mit "weit über 100" Programmen (<Schmid 2004>, 35) ist eine größere Programmvielfalt als im Kabel gegeben - so werden die deutschen privaten Free-TV-Programme digital über Satellit verteilt, über Kabel jedoch nicht. Da beim Satellitenempfang sowieso ein Decoder notwendig ist, besitzt der analoge Übertragungsweg auch keinen "Bequemlichkeitsvorteil" gegenüber dem digitalen, wie zum Beispiel beim Kabel - die Nutzer entscheiden sich dementsprechend für das zukunftssichere, digitale Verfahren. (<Zervos 2003>, 44) Hinzu kommt, dass Markenhersteller nur noch digitale Receiver herstellen. (<Riedel/Werner/Wirts 2004>, 2)

Ein Hindernis für den Satellitenempfang besteht zum einen im Mietrecht, das Vermietern ermöglicht, die Anbringung von Parabolantennen zu untersagen. Ein Recht, das häufig in Anspruch genommen wird, um sich die zusätzlichen Einnahmen aus Gestattungsverträgen mit Kabelnetzbetreibern zu sichern. (<Zervos 2003>, 45) Das 2001 von der EU-Kommission proklamierte "Recht auf die Parabolantenne" hat nur bedingt Bestand, sobald ein Kabelanschluss vorhanden ist, wie neuere Gerichtsentscheidungen zeigen. (<Jurran 2005a>) Der zweite Nachteil für den Empfang von digitalem Fernsehen per DVB-S besteht im fehlenden Rückkanal - dies soll aber durch Ausweichen auf andere Übertragungsnetze wie zum Beispiel Telephon beziehungsweise die Entwicklung von kombinierten Empfangs-/Sendeanlagen für den Hausgebrauch gemindert werden. (<Paukens/Schümchen 2000>, 37f.)

Wann das Simulcast von analog und digital zugunsten des letzteren beim Satellit eingestellt wird, ist bisher noch nicht abzusehen. Kapazitätsengpässe wie bei DVB-T existieren nicht und 40 analoge Programme sind für die meistens Kunden immer noch ein attraktives Angebot. Die Möglichkeit digitale Decoder an die eigenen Kunden günstig abzugeben und so Einfluss auf die Geräteausstattung zu nehmen, existiert in Deutschland nicht (<Zervos 2003>, 44), zumal dies auch nicht die Interessenlage der Satellitenbetreiber trifft: diese verdienen an der Doppelausstrahlung, die Kosten werden von den Programmveranstaltern getragen. (<Schmid 2004>, 35)

Ähnlich wie bei den verschiedenen Kabelbetreibern, hängen auch beim Satellitenempfang die verfügbaren Programme vom jeweiligen Satellitenbetreiber ab, als Beispiel sei hier das digitale Angebot skizziert, das über ASTRA zu empfangen ist. Frei empfangbar sind ca. 90 deutschsprachige Programme, darunter befinden sich die digitalen Angebote von ARD (einschließlich der Dritten), ZDF, der Sendergruppen ProSiebenSat.1 und RTL (einschließlich Regionalprogramme für Österreich) sowie einige kleinere Privatsender oder Spartenkanäle. Darüber hinaus sind noch ca. 55 fremdsprachige Sender frei zu empfangen. Es gibt sieben Pay-TV-Sender, darunter zwei deutschsprachige, hinzu kommt noch das Angebot von Premiere mit allen Paketen. (<Astra 2005a>)



Terrestrik

Der letzte in größerem Umfang etablierte Übertragungsweg für digitales Fernsehen in Deutschland ist der terrestrische. Diesen Übertragungsweg nutzen noch 1,37 Mio oder ca. 4% der TV-Haushalte. (<Astra 2005>, 1) Digitalisiert sind davon 0,62 Mio. oder 45%. Dieser hohe Digitalisierungsgrad dürfte mit dem Fortschreiten der Umstellung auf DVB-T zusammenhängen, die bis zum Jahresende 2004 bereits in Berlin/Potsdam, dem Rhein-Main-Gebiet, Teilen Nordrhein-Westfalens und im Norden Deutschlands durchgeführt wurde. Zugleich muß bei diesen Zahlen auch beachtet werden, dass das terrestrische Fernsehen seit Jahren durchgängig Nutzer verliert, in absoluten Zahlen vom Jahresende 2000 bis Jahresende 2004 1,57 Mio. (<Astra 2005>, 1) Mit diesem geringen Anteil an terrestrisch empfangenden TV-Haushalten fällt Deutschland etwas aus dem europäischen Rahmen. In Spanien existierten Ende 2003 10,74 Mio. terrestrische TV-Haushalte, was ca. 80% entsprach, in Italien waren es 18,75 Mio. beziehungsweise ca. 87% und das Vereinigte Königreich erreichte 14,10 Mio. beziehungsweise ca. 58%. Lediglich die Niederlande und die Schweiz kamen mit 2,79% und 5,88% auf ähnliche oder niedrigere Anteile. (<EPRA 2004>, 12)

Die Verteilung des Fernsehsignals erfolgt beim digitalen terrestrischen Fernsehen ebenso wie beim analogen. Von einer entsprechend exponierten Stelle wie Fernsehturm oder Sendeanlage auf einem Berg wird das Sendesignal in die Umgebung abgestrahlt. Für die Digitalisierung muß die Sendetechnik ausgetauscht werden, auf Seiten der Nutzer wird lediglich die Anschaffung einer STB notwendig, die alten Dachantennen können meistens weiter genutzt werden - sofern sie überhaupt noch benötigt werden. Ein großer Vorteil von DVB-T besteht darin, dass es problemlos neben dem stationären, auch den portablen beziehungsweise mobilen Empfang ermöglicht. Meistens reicht eine Stabantenne für den Empfang aus, die Bildstörungen ("Geisterbilder"), die bisher durch Mehrfachempfang, das heißt wenn Gebäude oder Landschaft das Fernsehsignal reflektieren oder es von einer zweiten Sendestation empfangen wird und so auf verschiedenen Wegen zum Empfänger gelangt, ausgelöst wurden, sind durch den Übertragungsstandard behoben. (<Freyer 2004>, 61; <Ziemer 2003>, 103-105) Daneben gehört auch "verschneiter" Fernsehempfang der Vergangenheit an, der graduellen Verschlechterung der Qualität ist abgeholfen, sollte das Signal einen bestimmten Schwellwert unterschreiten, fällt der Empfang jedoch völlig aus. (<Freyer 2004>, 64)

Die Kapazität von DVB-T ist im Verhältnis zu Satellit oder Kabel stark begrenzt: Zum einen wegen der robusten Signalgestaltung und zum anderen, da nur ein begrenztes Frequenzspektrum für die Ausstrahlung von Fernsehsignalen zur Verfügung steht. Die robuste Signalgestaltung führt dazu, dass in einem analogen Fernsehkanal lediglich drei bis vier Programme untergebracht werden können, weniger als die Hälfte im Vergleich zu Satellitentranspondern oder Kabelkanälen. Durch die Behebung der Probleme des Mehrwegeempfangs ergibt sich die zwar Möglichkeit alle Fernseh­sender eines Programms auf der gleichen Frequenz zu betreiben (Gleich­wellen­netz), was den Verbrauch an Frequenzen wirtschaftlicher gestaltet. Der für das Fernsehen zur Verfügung stehende Frequenzbereich von 47 bis 68 MHz, 174 bis 230 MHz und 470 bis 790 MHz ist jedoch deutlich kleiner, als die bei Satellit und Kabel verfügbaren Frequenzspektren. (<Ziemer 2003>, 103-107)

Nachdem die analoge terrestrische Ausstrahlung ein immer schlechteres Kosten/Nutzen-Verhältnis aufweist, ist die Digitalisierung ein willkommener Ausweg für die Rundfunkveranstalter, ermöglicht diese doch eine um die Hälfte günstigere Verbreitung. Desweiteren ermöglicht DVB-T auch die Schaffung neuer Anwendungsfelder im Bereich der portablen und mobilen Nutzung - ein deutlicher Vorteil gegenüber den auf Empfangsanlagen angewiesenen Satellit und Kabel. Besonders interessant für die mobile Nutzung ist auch die Möglichkeit Datenfunk zu betreiben, also Daten, die für viele Nutzer identisch sind, nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, zum Beispiel für Verkehrsinformationen. (<Zervos 2003>, 46f.; <Eckstein 2004>, 4) Die terrestrische Verbreitung von Rundfunk stellt daneben bisher die einzige direkte Möglichkeit dar, bei der Programmveranstalter ohne Zwischenschaltung einer weiteren Instanz wie Kabelnetz- oder Satellitenbetreiber, den Zuschauer erreichen können. (<Zervos 2003>, 46; <ARD 2002>, 18) Schließlich besteht die Möglichkeit, dass auf der Stockholm-Nachfolgekonferenz Anfang 2006 die Frequenzbereiche, die für den terrestrischen Hörfunk reserviert sind, neu geordnet werden. Sollte man sich entscheiden, aufgrund der größeren Bandbreiteneffizienz von DVB-T, nur noch einen kleineren Frequenzbereich für die Verbreitung terrestrischen Fernsehens vorzusehen, könnte der freigewordene Frequenzbereich anderweitig genutzt werden. Denkt man zurück an die hohen Erlöse, die die Versteigerung der UMTS-Frequenzen brachte, so besteht hier ein deutliches wirtschaftliches Interesse der Staaten. (<BT Drucksache 13/11380 1998>, 4; <Zervos 2003>, 47)

Die Umstellung auf DVB-T erfolgt inselweise, der Anfang wurde mit der Region Berlin gemacht, inzwischen folgten weitere Großräume wie Köln-Bonn, das Ruhrgebiet, Hannover, Bremen, Hamburg, und München/Nürnberg. Die Umstieg erfolgt mit relativ kurzen Simulcastphasen, nach deren Ablauf terrestrisches Fernsehen nur noch digital ausgestrahlt wird, die Umstellung der Region Berlin wird im folgenden noch näher beleuchtet. (ebd., 46) Eine flächendeckende Versorgung des gesamten Bundesgebietes mit DVB-T ist unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht leistbar. (<Eckstein 2004>, 8f.; <Doetz 2004>; <Brockmeyer 2004>, 22f.) Und selbst bei den einzelnen Startinseln treten teilweise gehörige Kostenunterschiede auf, je nach gewählter Versorgungsqualität können die Pro-Kopf-Kosten pro Programm pro Jahr für die jeweils gleiche Versorgungsqualität zwischen knapp 0,05 EUR (Berlin) und 0,25 EUR (Mittel­deutsch­land) liegen. (<Fuchs 2004>, 10) Wenn Privatsender keine realistische Chance auf Amortisation des Sendebetriebs absehen können, liegt es auch im Bereich des Möglichen, dass sie auf eine terrestrische Verbreitung ihres Programms verzichten, wie zum Beispiel in Nordhessen. (<Kuri 2005>)

Die Region Berlin/Potsdam war die Vorreiterin für die Digitalisierung der terrestrischen Übertragung in Deutschland. Dementsprechend groß war das Interesse, Erfahrungen aus dieser Umstellung für die weiteren nutzbar zu machen. Es fand eine wissenschaftliche Begleitung statt, die sowohl die Kommunikationsmaßnahmen und ihre Effektivität (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003a>) sowie im Abstand von einem Jahr das Wechselverhalten der Betroffenen zwischen den einzelnen Empfangsebenen untersuchte (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003>; <Mohr 2004>).

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) förderte den Umstieg zur digitalen Verbreitung aus Mitteln, die den Landesmedienanstalten für die technische Infrastruktur zur Verfügung stehen. (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003>, 558) Diese Förderung führte jedoch zu einer Beschwerde wegen Wettbewerbsverzerrung durch den Verband der privaten Kabelnetzbetreiber ANGA in Brüssel, die derzeit noch geprüft wird. (<ANGA 2004>) Für den Umstieg wurde zwischen den beteiligten Fernsehsendern und der MABB ein dreistufiges Vorgehen vereinbart. Am 01.11.2002 wurden zwei analoge Kanäle auf die digitale Verbreitung für Demonstrationszwecke umgestellt. Ab dem 28.02.2003 wurde die terrestrisch-analoge Verbreitung von werbefinanzierten Privatsendern eingestellt, die öffentlich-rechtlichen werden auf leistungsschwächere Kanäle verlegt. Die freigewordenen Kanäle wurden nun für DVB-T verwendet. Am 04.08.2003 wurde die analoge Verbreitung von Fernsehen vollkommen eingestellt. (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003>, 558) Die Simulcast-Phase dauerte also weniger als ein Jahr, so blieben die Kosten für die Programmveranstalter in einem überschaubaren Rahmen und auf die Nutzer wurde ein gewisser Druck ausgeübt – ansonsten hätte es zu einer Verschleppung der Migration von analog zu digital wie in den USA kommen können. (<Stadik 2004>, 12-15) Diese kurze Migrationsphase stellte auch besondere Ansprüche an die Kommunikationsmaßnahmen, mit denen die Haushalte über die Abschaltung des analogen Fernsehens informiert werden sollten – zudem war DVB-T eine neue Technik, die bisher nicht in Deutschland zum Einsatz kam. Die Kommunikation war so ausgelegt, dass keine Werbung für DVB-T als Konkurrenz für Kabel oder Satellit gemacht wurde, sondern neutral über einen Wechsel in der Technik und seine Vorteile informiert wurde, der viele Haushalte betraf. Als Kommunikationskanäle wurden das Fernsehen (Spots, Lauftexte, redaktionelle Beiträge), ein Brief an alle Haushalte, Flyer, Broschüren, Newsletter, das Fahrgastfernsehen und Seitenscheibenplakate in den Berliner U- und S-Bahnen, sowie ein Angebot im WWW genutzt. Daneben wurde auch noch eine Telephonhotline geschaltet. (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003a>, 570) Die Umstellung auf DVB-T führte zu einer Veränderung im Verhältnis der Empfangswege, die Terrestrik verlor Nutzer, Satellit und vor allem Kabel gewannen welche hinzu: etwa die Hälfte der vormals analog-terrestrisch empfangenden Haushalte wechselte zu DVB-T, der Rest zu Kabel oder Satellit. Vor allem bei Mietwohnungen konnte das Kabel Nutzer hinzugewinnen, da Hausverwaltungen und manche Kabelbetreiber im Zuge der Umstellung offensiv das Fernsehen per Kabel bewarben und dabei unter Umständen die möglichen Probleme von DVB-T nicht ganz objektiv beziehungsweise übertrieben darstellten. (<Engel/Hocker/Hofsümmer et al. 2003>, 560f., 567)

Der Umstieg auf DVB-T wurde im allgemeinen von den bisher analog-terrestrischen empfangenden Personen zunächst nicht unter der Betrachtungsweise der Vorteile dieser Technik (zum Beispiel mehr Programme, bessere Empfangsqualität, Portabilität) vollzogen, sondern der Zwangscharakter stand im Vordergrund. Nach den ersten Erfahrungen mit der neuen Technik trat das Preis-Leistungs-Verhältnis als großer Vorteil von DVB-T hervor, die Vervielfachung der Programme beziehungsweise das Hinzukommen neuer digitaler Programme gewann auch hier keinen hohen Stellenwert. (ebd., 564f.) Probleme mit der Empfangsqualität waren meistens auf nicht sachkundige Installation der Technik zurückzuführen. (ebd., 566) Beim Wechsel zu Kabel oder Satellitenempfang lagen die Gründe meistens in der Vermehrung der empfangbaren Programme. (ebd., 567) Insgesamt verlief die Einführung von DVB-T erfolgreich.

Ein halbes Jahr später folgte eine weitere Untersuchung, um die langfristige Entwicklung von DVB-T bewerten zu können. Der endgültige Umstieg auf DVB-T im August 2003 machte ca. 5000 Haushalte zu Nicht-Fernsehhaushalten, da noch keine Umrüstung vorgenommen worden war oder der Fernsehempfang als gestört beschrieben wurde – bei den übrigen Nicht-Fernsehhaushalten fand der Verzicht auf das Fernsehen schon vor längerer Zeit statt, so dass kein Zusammenhang mit der Umstellung festzustellen ist. (<Mohr 2004>, 295) Der Absatz an DVB-T-Receivern übertraf die Anzahl der vorher in Berlin vorhanden terrestrischen Haushalte und der Umstieg zu DVB-T war keineswegs im August 2003 beendet, sondern hielt bis zu Beginn der Studie an. Offenbar bestanden noch Möglichkeiten für DVB-T sich Marktanteile zu erschließen, beispielsweise im Bereich der Zweit- und Drittgeräte. (ebd., 296-299) Die Zufriedenheit mit DVB-T war gut, ca. 47% der DVB-T-Nutzer würden sich wieder dafür entscheiden. Zusammenfassend ergab die Studie, dass die Umstellung auf DVB-T eine Belebung bei der Terrestrik bewirkte. (<Mohr 2004>, 300)

Die Fernsehsender, die über DVB-T empfangen werden können, differieren von Region zu Region. Im Allgemeinen lässt sich jedoch feststellen, dass Teile des digitalen Angebots der ARD, das digitale Angebot des ZDF (einschließlich des MHP-Datendienstes ZDFdigitext), das lokale dritte Programm, sowie dritte Programme der angrenzenden Bundesländer und einige werbefinanzierte Privatsender ausgestrahlt werden. In München ist ein Kanal zudem für Datenfunk reserviert. Pay-TV wird nicht terrestrisch angeboten. (<ueberallfernsehen.de o.D.>; <Müller-Römer 2004>)



Neue Übertragungswege

Neben diesen etablierten Verbreitungswegen für digitales Fernsehen bestehen auch noch andere, die sich in der Anfangsphase ihrer Nutzung befinden: DVB-H beziehungsweise DMB und Fernsehen über DSL.

DVB-H stammt vom DVB-T-Standard ab und wurde im November 2004 als europäische Norm angenommen, dabei wurden Optimierungen für den Empfang mit mobilen Endgeräten wie Mobiltelephone, die mit Farbdisplays ausgestattet sind, und Handheld-Computer vorgenommen - vor allem in Bezug auf den Energieverbrauch, da die genannten Geräte nur über eine eingeschränkte Versorgung durch Akkumulatoren verfügen. (<Kornfeld/Reimers 2005>, 1) Die nahe Verwandtschaft mit DVB-T soll ermöglichen, Ausrüstung für diesen Standard auch für die Verbreitung von DVB-H-Signalen zu nutzen. (ebd., 2) Das Problem der begrenzten Energievorräte wurde dadurch behoben, dass nicht kontinuierlich Signale gesendet werden, sondern dies in kurzen Schüben (Bursts) geschieht, was dem Gerät ermöglicht sich zwischen diesen auszuschalten und so bis zu 90% an Energie zu sparen. Daneben ist der Fehlerschutz und die Signalmodulation auf mobilen Empfang optimiert, so dass selbst in Fahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit der Empfang stabil bleibt. (<Hofmeir 2004>, 26) DVB-H ist Internet-Protocol-basiert, was einen Rückkanal erleichtert. (<Kornfeld/Reimers 2005>, 4) In Berlin läuft seit Mai 2004 der weltweit erste DVB-H-Projektversuch (<Klaß 2004a>; <Hofmeir 2004>, 26). Innerhalb dieses Projektes wurde sowohl die Aussendung normaler Fernsehprogramme wie Eurosport, N24 und anderer, als auch interaktive Programme wie "Get-the-Clip" von Viva, bei dem via SMS zum Beispiel Teilnahme an Abstimmungen möglich war, getestet. Daneben war ein interaktiver Dienst in Form eines Stadtführers, der unter anderem die Abfrage von Veranstaltungstipps und das Ansehen von Kinotrailern mit Möglichkeit zur Kartenreservierung ermöglichte. Der Empfang dieser Angebote war mit speziellen Handyprototypen von Philips und Nokia möglich, der Rückkanal wurde mit dem Mobilfunktechnik GPRS realisiert. (<Hofmeir 2004>, 26f.) Diese Tests sollen ausgeweitet werden, unter anderem anderem ab Ende Mai 2005 auf den Raum München/Südbayern. Daneben laufen noch Tests in Helsinki, Pittsburgh/USA, der dieses Jahr in den Regelbetrieb übergehen soll, Barcelona und Metz. (<Kornfeld/Reimers 2005>, 10)

DMB stammt von DAB ab, dem digitalen Hörfunk, und ist bisher noch nicht offiziell standardisiert. In Südkorea befindet es sich jedoch bereits im Betrieb, so dass schon serienreife Endgeräte zur Verfügung stehen. In der zweiten Jahreshälfte 2005 soll in Regensburg das erste Pilotprojekt außerhalb Südkoreas stattfinden. Gegenüber DVB-H besitzt es jedoch zwei entscheidende Nachteile: zum einen ist der Empfang durch das schwächere Signal innerhalb von Gebäuden deutlich schlechter und zum anderen ist es nicht Internet-Protocol-basiert und erlaubt keine interaktiven Dienste. Trotzdem kann es sein, dass sich DMB gegenüber DVB-H durchsetzt, da es nicht im gleichen, inzwischen fast voll belegten Frequenzbereich wie DVB-T operiert und eine Möglichkeit bietet, die für DAB vorgenommenen Investitionen trotz seines ausbleibenden Erfolgs doch noch sinnvoll zu nutzen. (<Schulzki-Haddouti 2005>) Ebenso gut ist es aber auch möglich, dass keiner der beiden Standards den anderen verdrängt, sondern eine Vereinigung zu DXB erfolgt. (<Hofmeir 2004>, 28)

Beide Verfahren besitzen gegenüber Lösungen, die Fernsehprogramme über UMTS verteilen, den Vorteil, dass sie keine Obergrenze bei Nutzerzahl in einem kleinem Gebiet kennen. Bei UMTS ist die maximale Nutzeranzahl auf ca. ein Dutzend pro Funkzelle beschränkt, eine Zahl die gerade bei Großereignissen wie Fußballspielen oder Volksfesten unpraktikabel ist. (<Schulzki-Haddouti 2005>)

Bei den Inhalten der Programme für mobile Nutzung zeigten sich besonders Nachrichten, Berichte zu Sportereignissen, Serien und Musikclips erfolgreich, als vollständiger Ersatz des Fernsehens zu Hause dürfte nach Auskunft der Nutzer DVB-H jedoch nicht in Frage kommen (<Hofmeir 2004>, 27f.)

Fernsehen über DSL ist ein weiterer Übertragungsweg für Digitalfernsehen. Die Bezeichnung ist insofern missverständlich als das Fernsehsignal nicht direkt über die DSL-Leitung übertragen wird, sondern über das Internet beziehungsweise das Internet Protocol. Es ist also jeder hinreichend breitbandige Internetanschluss geeignet sein, diesen Verbreitungsweg für den Fernsehempfang zu nutzen - eine entsprechende Bandbreite vorausgesetzt, ist die Empfangsqualität durchaus auf dem selben Niveau wie bei den anderen Empfangsmöglichkeiten. (vgl. hierzu <Kozamernik/Vermaele 2005>, insbesondere 2f.)

In Deutschland ist dieser Verbreitungsweg für die Ausstrahlung normaler Programme noch unbekannt, lediglich die Telekommunikationsunternehmen T-Online und Arcor bieten für ihre jeweiligen Kunden ein Video-On-Demand-System an, in dem einige Filme bestellt werden können. (<Lenhard 2005>, 11) Beim Pay-TV-Sender Premiere wird darüber nachgedacht in verschiedenen Stufen auch DSL zur Ausstrahlung der Premiere-Sender zu nutzen. Ab 2006 soll Video-On-Demand möglich sein, das zu einem Video-On-Demand-Abonnement ausgebaut werden soll, das den Abruf aller Filme eines bestimmten Premiere-Pakets ermöglichen soll, 2007 soll dann die lineare Ausstrahlung der Premiere-Kanäle erfolgen. (<Meyer 2005>, 17) Weiter fortgeschritten in der Nutzung von DSL als Übertragungsmedium für Fernsehen ist Frankreich. Seit Dezember 2003 besteht dort diese Empfangsmöglichkeit, die zunächst nur Pay-TV-Sender umfasste, erst später kamen auch Free-TV-Sender hinzu. Der Empfang von Fernsehen über DSL erfolgt über spezielle STB, die auch über ein Verschlüsselungssystem verfügen und so eine Zugangsbeschränkung auf zahlende Kunden ermöglichen. Der große Erfolg dieser Übertragungsart - der Pay-TV-Sender TPS L konnte binnen der ersten drei Monate 28.000 Kunden gewinnen - ist mitunter auf die Kooperation der Pay-TV-Anbieter und DSL-Netzbetreiber zurückzuführen, wobei sich die ersteren eine bessere Verbreitung ihrer Programme in Ballungsräumen versprechen, die letzteren einen Kaufanreiz für ihre breitbandigen Internetanschlüsse. Daneben liegen die Preise für den notwendigen DSL-Anschluß bei 50% der Kosten die in Deutschland anfallen. (ebd., 16f.)

Nachdem das Angebot vornehmlich auf Ballungsräume beschränkt ist, scheiden die prinzipiellen Probleme von Fernsehen über DSL, wie zum Beispiel die Abnahme der maximal möglichen Bandbreite aufgrund großer Entfernung zur Vermittlungsstelle, nicht sonderlich stark ins Gewicht. (<Paulus/Thiessen 2003>, 98)

Zusammenfassung und Ausblick



Betrachtet man nun den Stand der Digitalisierung der Fernsehübertragung, so scheint das Ziel bis 2010 eine vollständige Digitalisierung zu erreichen im Bereich des Möglichen. Bei der terrestrischen Verbreitung dürfte es keine Probleme geben, die bisher durchgeführten Migrationen waren allesamt erfolgreich. Es bleibt abzuwarten, wie die Vorteile von DVB-T in Bezug auf portablen und mobilen Gebrauch bei den Nutzern als Mehrwert wahrgenommen werden. Eine flächendeckende Versorgung auch des letzten Fleckens wird mit dieser Technik aufgrund der Kosten jedoch nicht möglich sein – die sogenannte Grundversorgung wird in Zukunft auch über Kabel oder Satellit stattfinden. Beim Satellitenempfang scheint ein Erreichen des Ziel bis 2010 auch möglich – die Zuwachsraten sprechen dafür, daneben wird der analoge Empfang ja auch nicht mehr von allen Herstellern unterstützt. Einzig beim Kabel scheint das Erreichen des Ziels bis 2010 ungewiss, vor allem nachdem bisher nicht alle Free-TV-Sender im digitalen Kabel zu empfangen sind. Gleichzeitig machte die lange verzögerte Aufrüstung des Kabels im vergangenen Jahr große Fortschritte. Inwiefern die neuen Empfangsmöglichkeiten für digitales Fernsehen wie DVB-H oder Fernsehen über DSL erfolgreich sein werden, bleibt abzuwarten.

Was die Entwicklung der Interaktivität beim Fernsehen betrifft, ist wohl eine gehörige Portion Skepsis angebracht. Existierende interaktive Angebote haben wenig Aussicht auf Nutzung, da die entsprechenden Endgeräte fehlen – ebenso darf man hier nicht die Problematik des Rückkanals übersehen. Betrachtet man auch die bisherigen Erwartungen zur Interaktivität beim Fernsehen, so muß man feststellen, dass sie nicht eintrafen. (vgl. hierzu <Stipp 2004>)

Was HDTV betrifft, scheint ähnliche Skepsis wie bei der Interaktivität angebracht: In Europa bietet das normale Fernsehbild eine durchaus annehmbare Qualität. Außerdem verunsichern Rechteinhaber derzeit mögliche Käufer für die ersten HDTV-fähigen Fernsehgeräte, da sie neue Schutzmaßnahmen gegen Mitschnitte an diesen Geräten durchsetzen wollen (vgl. hierzu <Roth 2005>)

Zu guter Letzt sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass durch die Digitalisierung das Fernsehen computerähnlicher wird: für die Wahl von Programmen ist man auf Navigatoren oder EPGs angewiesen, die Fernbedienung erhält zusätzliche Bedienelemente. Aspekte der Usability und Accessability halten auch in den Bereich des Fernsehens Einzug.

Abkürzungsverzeichnis

API

Application Programming Interface

ATSC

Advanced Television Systems Committee

CA

Conditional Access

CAM

Conditional Access Module

CI

Common Interface

DAB

Digital Audio Broadcast

DLM

Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten

DMB

Digital Mulitmedia Broadcasting

DSL

Digital Subscriber Line

DVB

Digital Video Broadcasting

DVB-C

Digital Video Broadcasting – Cable

DVB-H

Digital Video Broadcasting – for Handheld Terminals

DVB-S

Digital Video Broadcasting – Satellite

DVB-T

Digital Video Broadcasting – Terrestrial

DXB

Digital Extended Broadcasting

ETSI

European Telecommunications Standards Institute

GPRS

General Packet Radio Service

GSM

Global System for Mobile Communications

HDTV

High Definition Television

HTML

Hypertext Markup Language

ISDB-T

Integrated Services Digital Broadcasting - Terrestrial

ISDN

Integrated Services Digital Network

MABB

Medienanstalt Berlin-Brandenburg

MHP

Multimedia Home Platform

STB

Set-Top-Box

UMTS

Universal Mobile Telecommunications System

VoIP

Voice over IP

WWW

World Wide Web



Abbildungsverzeichnis



Literaturverzeichnis



1Bei der Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens in Frankreich wurde in Betracht gezogen statt MPEG-2 das neuere und effizientere MPEG-4-Verfahren einzusetzen. Dies hätte umfangreichere Möglichkeiten eröffnet, zum Beispiel für HDTV. Zugunsten einer schnellen Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehen und einer geringeren Kosten­belastung der Verbraucher, wurde durch die französische Regierung zumindest für das frei empfangbare digitale terrestrische Fernsehen die Nutzung von MPEG-2 verfügt. (<AFP 2004>) Beim Pay-TV soll wohl jedoch MPEG-4 zum Einsatz kommen. (<InfoSat 2005>)

2Die Bezeichnung des interaktiven Fernsehens umfasst eine Vielzahl von möglichen Diensten. Für eine genaue Darstellung, vgl. <Woldt 2004a>

3http://www.kabeldeutschland.de/kabeldigital/technik/navigation.php?KABEL_DEUTSCHLAND_WEB=383a5ad0426be26858651, zuletzt besucht: 24.04.2005

4http://ish.de/ishtv/digital/plus/index.html, zuletzt besucht: 24.04.2005

5http://www.kabelbw.de/index.php?id=1893&psid=2c84e3f079364cfb9653b2b11a825a6e, zuletzt besucht: 24.04.2005

6eine zur Ergänzung durchgeführte Abfrage der bei digitalfernsehen.de gepflegten Datenbank (http://www.digitalfernsehen.de/katalog/stb.php, zuletzt besucht 24.04.2005) zu STB für Digitales Fernsehen über die drei Empfangsmöglichkeiten Satellit, Kabel oder Terrestrik ergibt, dass von 486 gespeicherten Modellen lediglich fünf MHP-fähig sind, was einem Anteil von ca. 1% entspricht. Dies sagt natürlich noch nichts über die Marktdurchdringung der jeweiligen STB aus.

7Es handelt sich dabei um das Modell DTT-4000 von Humax
(http://www.digitalfernsehen.de/katalog/stb_detail.php?id=642, zuletzt besucht: 16.05.2005). Die Gerätedatenbank findet sich unter: http://www.digitalfernsehen.de/katalog/stb.php

8für einen Überblick über einige der möglichen Verschlüsselungsverfahren siehe <de.wikipedia.org CAM 2005>

9http://www.kabeldeutschland.de/kabeldigital/technik/receiver.php?p=sn&KABEL_DEUTSCHLAND_WEB=e467183427cb0f8390e2, zuletzt besucht: 07.05.2005

10http://www.kabelbw.de/index.php?id=1893&psid=e539181c86c7edda60ab6483e72fdadd, zuletzt be­sucht: 07.05.2005

11http://www.ish.de/service/ishdigital/set-top-box.html, zuletzt besucht: 07.05.2005

12Die auf Seite 13 des Artikels abgebildete Karte ist fehlerhaft, die Farben für Japan und USA/Kanada sind vertauscht, es sei auf die Originalkarte <DigiTAG 2002> verwiesen.

13Die Nutzerzahlen beziehen sich jeweils auf das Jahresende 2004

14Der Grund für die Etablierung dieser Zwischenstufe zwischen der Netzebene 3 und den Endkunden kann unter Umständen in dem Versuch gesehen werden, der Bundespost als ursprünglichen Eignerin keinen Zugriff auf den Endkunden zu gewähren beziehungsweise eine (versteckte) Form der Wirtschaftsförderung durchzuführen (vgl. <Lauff 2002>, 141)

15Und selbst nach der Veräußerung der Kabelnetze bestand der Verdacht von Absprachen zwischen Telekom und Kabel Deutschland, was sich sogar in einem Ermittlungsverfahren des Bundeskartellamtes niederschlug. <Schwan 2004a>